Geschichte erzählen

Loft S, Stuttgart

Ausbau der Dachgeschosse eines denkmalgeschützten Gründerzeithauses im Stuttgarter Westen - Durch das Aufbrechen der historischen Grundrissstrukturen entstehen großzügige fließende Räume. Verschiedene Motive des Bestands werden aufgegriffen und neu interpretiert, andere Versatzstücke bleiben sichtbar. Die Räume erzählen ihre Geschichte, die Eingriffe knüpfen hier an und schreiben diese Geschichte fort. 

Potential aktivieren

Vor dem Umbau wurde nur die hofseitige Hälfte des Dachgeschosses als kleine Wohnung genutzt, 40 qm ohne angemessene Heizung, ohne Bad. Die straßenseitigen Dienstbotenzimmer standen leer. Ein Abschluss zum Treppenhaus war nicht vorhanden. Der Dachstuhl darüber war nicht ausgebaut, lediglich Lattenverschläge wurden zu Lagerzwecken genutzt. Durch den Umbau wurden beide Ebenen zusammengelegt, die ehemals frei zugängliche Treppe zum Dachstuhl in die Wohnung integriert und so ein großzügiges Refugium, fast schon ein Haus im Haus geschaffen. Die klassische Aufteilung der Gründerzeitgrundrisse - Küche und Nebenräume zum Hof, Wohnräume zur Straße - wurde aufgebrochen, wodurch sich der Wohnbereich nun auch zur ruhigen Hofseite nach Westen sowie zum Balkon orientiert.

Raum öffnen

Der äußerst kleinteilig untergliederte Bestandsgrundriss bot scheinbar keine gute Basis für großzügige, lichtdurchflutete Räume. Dennoch war das erklärte Ziel, neben der technischen und baukonstruktiven Sanierung, ein fließendes Raumkontinuum mit unterschiedlichen halboffenen Bereichen und einem Minimum an “klassischen” abgeschlossenen Zimmern zu schaffen, um die gesamte Tiefe des Gebäudes und die unterschiedlichen Außenbezüge vielfältig erlebbar zu machen. Das Konzept eines offenen Raumgefüges setzt sich auch beim Ausbau des Dachstuhls weiter fort. Hier wird ein von außen nicht einsehbarer Dacheinschnitt zum zentralen räumlichen Element. Er öffnet den Raum zum Himmel und sorgt für die großzügige Belichtung des oberen Geschosses ohne den bauzeitlichen Charakter des Gebäude in seiner äußeren Erscheinung zu 

Die Kleinteiligkeit des alten Kammergrundrisses weicht einer großzügigen Abfolge offener Räume.

Im Dialog

Alt und Neu treten auf unterschiedliche Arten in Dialog miteinander. Historische Elemente bleiben sichtbar erhalten, werden aufgearbeitet, oder an anderer Stelle wiederverwendet. Neue Elemente stellen in Formensprache und Materialität eine klare Referenz an den Altbau dar wie der Einbau aus feinen Holzlamellen, der an die Lattenverschläge erinnert und jetzt als kontinuierliches Raumelement die Treppe ins obere Geschoss begleitet und sich dort als filterähnlicher Raumabschluss zwischen Stauraum und den offenen Bereichen ausbreitet. Andere Neuerungen hingegen weichen in ihrem Duktus deutlich ab und setzen einzelne klare Kontrastpunkte wie der allseitig vollflächig verspiegelte Dacheinschnitt oder sie tragen das Potential neuer Geschichte in sich wie der Waschtisch aus unbehandeltem, massivem Messingblech, der schon bald seine eigene Patina ansetzen wird.

Alt und Neu treten auf unterschiedliche Arten in Dialog miteinander.

Schichten freilegen

Als Reminiszenz an den Charme vergangener Tage wurden an den Wand- und Deckenoberflächen die historischen Schichten freigelegt und lediglich mit einer feinen weißen, halbtransparenten Lasur überarbeitet. Farbreste der ehemaligen Wandbeschichtungen und unterschiedliche Putzgründe schimmern durch. Man spürt die Vorgeschichte der ehemaligen Dienstbotenzimmer. Auch die Spuren der Eingriffe bleiben überall wie selbstverständlich sichtbar ohne sie gestalterisch zu überhöhen: die Anschlüsse der entfernten Trennwände wurden nur grob ausgespachtelt. Man kann Sie erkennen und so den ehemaligen Grundriss weiterhin ablesen.

Projektinformationen

Ort

Stuttgart, Deutschland

Projektstatus

realisiert

Team

Tobias Bochmann

Fotografie

Rolf Schwarz

Fläche

140 m²

Bearbeitungszeitraum

2009

Fertigstellung

Auszeichungen

Das Goldene Haus