Umbau einer Vorkriegswohnung

Apartment O , Stuttgart

Ein Regal wird zur Treppe, das Badezimmer verbirgt sich hinter einer Schranktür, und der Arbeitsraum öffnet sich theatralisch hinter einem Vorhang. Als ikonischer Moment öffnet ein großflächiges Dachfenster den Blick auf den Stuttgarter Fernsehturm. In einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus aus den 1930er-Jahren entsteht ein ebenso überraschendes wie durchdachtes Kleinod, das sich mutig von konventionellen Wohnstrukturen löst.

Von Dachkammern und offenen Wohnlandschaften

Das Dachgeschoss des Hauses im Stuttgarter Osten, Baujahr 1935, bestand aus zwei kleinteiligen Wohneinheiten (44 m² und 67 m²) sowie einem ausgebauten Spitzboden. Die vorhandene Struktur entsprach nicht den Wohnvorstellungen des Bauherrn, der sich ein offenes, flexibles Zuhause wünschte – geprägt von einem kosmopolitischen Lebensstil, wie er ihn aus Luxemburg, Großbritannien und München kannte. Ziel war ein offener Grundriss mit viel Licht, klaren Bezügen und individueller Nutzung.

 

Raumkonzept zwischen Alltag und Inszenierung

Durch das Entfernen nichttragender Wände, den Rückbau der Decke auf ihre tragende Struktur sowie die Neuorganisation des Grundrisses wurde aus der kleinteiligen Wohnung ein großzügiger, zeitgemäßer Raum. Die zentrale Küche des begeisterten Hobbykochs bildet das Herzstück des Apartments. Darum gruppieren sich ein abgetrennter Schlafraum, ein offener Essbereich sowie ein Badezimmer, das sich nahtlos in eine flurbegleitende Schrankwand einfügt – kaum sichtbar und dennoch vollständig integriert.

Lebensräume sollen sich dem Menschen anpassen – nicht der Mensch dem Raum.

Wandelbarer Wohnraum

Den räumlichen Abschluss zum Nachbargebäude bildet eine raumbreite Vorhangwand, die sowohl akustisch als auch visuell wirkt. Sie lässt sich öffnen und gibt einen Arbeitsplatz sowie Stauraum frei – flexibel nutzbar je nach Tageszeit oder Stimmung. Der Raum erhält so ein wandelbares zweites Gesicht: mal Bibliothek, mal Büro, mal ruhiger Rückzugsort. Textile Elemente übernehmen dabei die Rolle klassischer Türen und Wände – mit Leichtigkeit und Eleganz.

 

Skulpturale Treppe und neuer Raumbezug

Ein aus schwarzem MDF gefertigtes Raummöbel erschließt als begehbares Regal den Wohnbereich im Spitzboden. Die zuvor abgetrennte Decke wurde auf ihre Balkenlage zurückgebaut, sodass ein neuer Raumbezug zwischen Ess-, Arbeits- und oberen Wohnbereichen entsteht. Der Spitzboden, einst reine Abstellfläche, wurde über gezielte Dachöffnungen aufgewertet und lädt heute mit Ausblick auf die Weinberge und den Fernsehturm zum Verweilen ein – ein Ort zwischen Geborgenheit und Weite.

Funktion und Gestaltung sollen sich so ergänzen, dass sie Mehrwert schaffen

Materialität mit Haltung und Charakter

Die Material- und Farbwahl folgt einer klaren gestalterischen Linie: Natürlichkeit, Lebendigkeit und Ausdrucksstärke. Unbehandelte, gelaugte Douglasien-Dielen aus dem Schwarzwald schaffen eine warme Basis. Das schwarze MDF des Treppenmöbels, lachsrot gestrichene Dachbalken sowie abgestimmte Wandfarben und Textilien setzen Kontraste. Alles wurde bewusst gewählt, um eine Atmosphäre zu schaffen, die zugleich ruhig und kraftvoll wirkt – zurückhaltend und doch markant.

Architektur als Dialog

Das Projekt ist das Ergebnis eines intensiven Austauschs zwischen Bauherr und Architekt. Die Gestaltung wurde nicht „für“ den Bauherrn entworfen, sondern „mit“ ihm entwickelt – in einem offenen Prozess, der persönliche Vorstellungen ernst nimmt und in architektonische Qualität übersetzt. Apartment O zeigt beispielhaft, dass gute Innenarchitektur mehr ist als formale Gestaltung: Sie entsteht im Dialog, ist flexibel, persönlich und geprägt von gelebter Identität.

Projektinformationen

Ort

Stuttgart, Deutschland

Projektstatus

abgeschlossen

Auftraggeber

privat

Team

Hadi Tandawardaja

Fotografie

Zooey Braun

Verfahrens-/Projektart

Direktbeauftragung

Leistungen

LP 1 – 7

Fläche

67 m²

Bearbeitungszeitraum

2022 – 2024

Fertigstellung